Sima Margolina

* Geboren 23. Oktober 1931 (Usda)
Porträt Sima Margolina
Sima wächst in Usda auf einem Bauernhof mit zwei Schwestern auf. Am 22. Juni 1941 beginnt die deutsche Wehrmacht ihren Feldzug gegen die Sowjetunion und besetzt auch Simas Heimatort. Die Familie muss in das Ghetto von Usda umsiedeln. Sima entgeht in einem Versteck einer Massenerschießung durch die deutsche SS. Ihre Großeltern werden erschossen. Die Familie flieht nach Minsk. Während Sima auf einem Bahnhofsgelände Zwangsarbeit leistet, ermordet die SS im Juli 1942 ihre Mutter und ihre Schwester Nina. Simas Tante Selda und ihre Schwester Berta verhungern im Minsker Ghetto. Eine nichtjüdische Frau versteckt Sima. Nach dem Rückzug der Wehrmacht trifft sie im Juli 1944 ihren Vater wieder.
  • 23. Oktober 1931
    Geburt
  • 17. Oktober 1941
    Überleben
  • 28. Juli 1942
    Ermordung der Familie
  • April 1943
    Versteckt
  • Juli 1944
    Wiedersehen mit dem Vater
Winziger Baum auf Brotlandschaft, Symbolbild 1
Kapitel 1
Sima sprach als Kind schon drei Sprachen.

Ein Bauernhof war Simas Zuhause. Mit einer Kuh, einem Pferd und einem Gemüsegarten. Er lag in Usda, einer kleinen belarussischen Stadt. Sima lebte hier mit ihren Eltern, Großeltern und zwei jüngeren Schwestern. Besonders ihre Großeltern liebte Sima sehr.

Mit ihrer Großmutter, die sehr gläubig war, besuchte sie jeden Samstag die Synagoge. Eigentlich hatte sie dazu gar keine Lust, weil sie immer die Gebetbücher tragen musste. Sie war sogar froh, als die Synagoge schließlich in eine Sporthalle umgewandelt wurde. Simas Großvater war Schuster. Er kümmerte sich nicht nur um den heimischen Gemüsegarten, sondern auch um die Tiere, die sich im Besitz der Familie befanden.

Sima schrieb mit Feder und Tinte

Aber das Wichtigste für Sima war die Schule. Hier hatte sie viele Freund/-innen. Alle Schüler/-innen sprachen zwar belarussisch, aber eigentlich kamen sie aus ganz unterschiedlichen Elternhäusern. Von Simas drei besten Freundinnen war eine jüdisch wie sie selbst, eine war Tartarin und eine war Belarussin. Sima konnte nicht nur Belarussisch. Sie sprach auch Russisch und zuhause Jiddisch.

Foto von Federkiel und Tintenfass
Als Sima aufwuchs, war es keine Selbstverständlichkeit, einen Tintenroller oder Füllfederhalter zu besitzen.

Wer hat das beste Zeugnis? Jedes Jahr war es das gleiche: Unter den Schüler/-innen ihrer Schule entbrannte ein Wettkampf um das beste Zeugnis. Dabei ging es nicht nur um die Ehre. Die drei besten Schüler/-innen bekamen Geschenke. Und keine kleinen.

Im Jahr 1939, Sima war gerade sieben Jahre alt, gewann auch sie etwas: Ein Paar Schlittschuhe! Eigentlich ein schönes Geschenk, aber Sima war bitter enttäuscht: Schlittschuhe besaß sie schon. Ihre beste Freundin Lisa dagegen hatte etwas ganz Modernes bekommen: Einen Tintenroller! Mit so einem besonderen Stift musste man nicht mehr ständig die Feder in die Tinte tunken, um schreiben zu können! Wie neidisch Sima war! Von diesem Ärgernis einmal abgesehen, ging es Sima gut.

Was war das für eine Stadt, in der Sima lebte?

Foto eines Gemäldes von Harry Lieberman
Der Künstler Harry Lieberman (1880 – 1983) stammte ursprünglich aus einem polnischen Dorf. Seine Leidenschaft zum Malen entdeckte er erst spät. Beispielsweise brachte er Szenen aus seiner Kindheit und Jugend in einem polnischen Shtetl auf die Leinwand. Dieses Bild heißt »Ein arbeitsreicher Tag im Shtetl«.

Usda liegt 75 Kilometer südwestlich von Minsk, der heutigen Hauptstadt von Belarus. Um 1900 war Usda ein Shtetl – eine Siedlung mit überwiegend jüdischer Bevölkerung. Laut einer Volkszählung von 1897 waren 75 Prozent der Einwohner/-innen Usdas jüdisch. Sie arbeiteten im Handel oder als Handwerker/-innen wie Schuster/-innen oder Schneider/-innen.

Wo liegt Usda überhaupt?

Karte von 1937
Karte von 1937. Usda liegt unter Minsk, der heutigen Hauptstadt von Belarus.

Als Sima aufwuchs, lag ihre Heimatstadt Usda nah an der Grenze zu Polen. Den belarussischen Staat gab es damals noch nicht lange. Erst 1920 war die Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik endgültig gegründet worden. Das Land war Gründungsmitglied der Sowjetunion. Die Beziehungen der Belarussischen Sowjetrepublik zu ihrem westlichen Nachbarland Polen waren schwierig. Die Grenzen umstritten. Die sowjetische Führung startete wiederholt gegen Polen gerichtete Propagandakampagnen. Beispielsweise wurde immer wieder vor Spion/-innen gewarnt, die im Auftrag Polens unterwegs seien.

Sima als Detektivin!

Auch Sima hatte von den in der örtlichen Pionierzeitung veröffentlichten Berichten gehört. Sie begann damit, sich die Menschen auf der Straße genau anzuschauen: Einen Spion auf frischer Tat zu ertappen, das wäre was!

Die Nationalhymne spielt

Und noch etwas lernte Sima bei den Jungpionieren: Wenn die Nationalhymne gespielt wird, muss man aufspringen und salutieren. Simas Eltern, die keine Kommunist/-innen waren, zeigten sich darüber eher irritiert als begeistert.

Von einem Tag auf den anderen war nichts mehr, wie es war

Foto mit deutschen Soldaten, 1941 bei Minsk
Deutsche Bodentruppen und motorisierte Soldaten im August 1941 in der Nähe von Minsk.

Am Morgen des 22. Juni 1941 um vier Uhr früh übergab der deutsche Reichsminister des Auswärtigen, Joachim von Ribbentrop, dem sowjetischen Botschafter in Berlin, Wladimir Dekanosow, die offizielle Kriegserklärung. Die deutsche Wehrmacht marschierte in die westlichen Gebiete der Sowjetunion und damit auch in die Belarussische Sowjetrepublik ein. Bereits zwei Tage nach Überquerung der Grenze standen deutsche Truppen in Simas Heimatstadt Usda.

Die Ermordung der jüdischen Bevölkerung

Bereits in der Zeit der polnischen Besatzung (1919 bis 1920) hatte in Usda ein großes antijüdisches Pogrom stattgefunden. Dabei waren dutzende Wohnhäuser angezündet und die jüdische Bevölkerung um Geld erpresst worden.

Der Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Sommer 1941 bedeutete das katastrophale Ende der fast 300 Jahre andauernden jüdischen Geschichte in Usda. Die deutschen Besatzer ermordeten den Großteil der jüdischen Bevölkerung. Insgesamt 1.740 Männer, Frauen und Kinder.

Zwei winzige Personen, Kartoffeln und ein Abgrund, Symbolbild 2
Kapitel 2
Sima saß im Keller und wagte nicht laut zu atmen.

»Kinder, steht auf, zieht euch an, der Krieg hat begonnen«. Mit diesen Worten weckte der Großvater Sima und ihre kleinen Schwestern. Es war der 22. Juni 1941. Die deutsche Wehrmacht hatte ihren Feldzug gegen die Sowjetunion begonnen. Und besetzte auch Usda.

Wie ein deutscher Offizier die Familienkuh rettete

Sima war damals neun Jahre alt und kann sich nur bruchstückhaft an diese Zeit erinnern. Eine Episode aber ist ihr im Gedächtnis geblieben: Eines Tages verschluckte sich die einzige Kuh an einer Kartoffel und drohte zu ersticken. Ein wahres Unglück. Keinesfalls konnte die Familie auf die lebenswichtige Milch verzichten. Simas Großvater versuchte erfolglos, das Tier zu retten, als ausgerechnet ein deutscher Offizier zu Hilfe kam.

Foto von zwei Kühen

Voller Entsetzen beobachtete die Familie, wie der Offizier der Kuh in den Hals griff und die Kartoffel herausholte. Und dann gab er ihnen allen aus seinem Suppenkessel eine Portion Linsensuppe mit Fleisch! Sein Abschied war noch merkwürdiger, wie Sima fand: Der Offizier fragte ihren Großvater, ob er Jude sei. »Jude« – das Wort hatte sie noch nie gehört. Und es ging noch weiter. Der Offizier versuchte, sie zu warnen. Er sagte: »Juden kaputt. Ihr müsst weglaufen, wenn ihr das schafft …«.

Er sollte mit seiner Warnung Recht behalten. Nur einen Monat später mussten Sima und ihre Familie ins Ghetto von Usda umsiedeln. Plötzlich bekamen sie den Befehl, ihr Zuhause zu verlassen und nur die allernotwendigsten Dinge mitzunehmen. Im Ghetto besaß die Familie weder Geschirr noch Möbel. Auch ihr Vieh musste sie zurücklassen.

Sima erinnert sich:

»Ghetto … Ab den ersten Tagen zeigte sich sein harter, brutaler Alltag: Enge, Abgrenzung von der Außenwelt, Angst vor drohender Vergeltung, von unheilvollen Gerüchten unterstützt. Keiner zweifelte daran, dass wir uns in einer Falle befanden, aus der man nicht entkommen konnte.«

Menschenjagden im Ghetto

Foto vom Generalkommissar in Minsk
Das Foto vom 1. Dezember 1942 zeigt links Wilhelm Kube, den Generalkommissar in Minsk. Er war als Chef der deutschen Verwaltung maßgeblich an der Planung der Mordaktionen an Juden und Jüdinnen beteiligt.

Eines Tages wurden die Bewohner/-innen des Ghettos von Usda zusammengerufen. Der Leiter der örtlichen Polizei erklärte ihnen, dass sie am nächsten Tag nach Minsk umgesiedelt werden würden. Die ahnungslosen Menschen glaubten ihm zunächst.

Doch dann stellte sich heraus, dass man sie belogen hatte. Denn in der Nacht kam in Usda ein Mensch an, der aus einem Nachbarort geflohen war. Er erzählte ihnen, wie das Ghetto in seiner Stadt dem Erdboden gleich gemacht und die jüdischen Bewohner/-innen ermordet worden waren. Nun solle das Ghetto in Usda auf die gleiche Weise ausgelöscht werden.

Ein Versteck um jeden Preis

Über Nacht musste ein Versteck her. Kein kleines Schlupfloch. Sondern ein Versteck für 15 Menschen, Simas gesamte Familie. Das war fast unmöglich. Sie entschieden, im Haus zu bleiben und sich aufzuteilen. Manche Familienmitglieder versteckten sich im Keller und manche im Hof. Simas Vater und Onkel verbargen sich zum Beispiel in einem Holzstapel.

Ein mutiger Plan

Die einzigen, die sich nicht versteckten, waren Simas Großeltern: So würden die Verfolger jemanden vorfinden und nicht das gesamte Haus durchsuchen. Stunden vergingen. Erst in der darauffolgenden Nacht trauten sich Sima und die anderen wieder hinaus! Aber nicht alle waren mehr dort, wo sie sich versteckt hatten. Simas Vater und Onkel Boris zum Beispiel waren verschwunden und auch die Großeltern waren nicht mehr da.

Foto eines Holzstapels

Ein Polizist rettete Simas Leben

Foto von sowjetischen Hilfspolizisten, 1941
Die beiden Männer in der Mitte sind sowjetische Hilfspolizisten. Sie arbeiteten für die deutschen Besatzer und sind zu erkennen an den weißen Bändern, die sie um den Arm trugen. Diese Bänder waren mit der Aufschrift »Polizei« oder »P« versehen. Das Foto wurde 1941 im belarussischen Witebsk aufgenommen.

Aus dem Keller hörte Sima, wie die SS und Angehörige der örtlichen Polizei das Haus betraten. Es wurde Deutsch und Russisch gesprochen. Auch die Großeltern konnte Sima hören. Sie behaupteten, allein zu sein. Nur zwei Personen würden im Haus leben. Eine gefährliche Lüge. Der weißrussische Polizist, der daneben stand, wusste genau, dass ihre Angaben nicht stimmten. Was würde er tun? Würde er die Großeltern und damit auch alle anderen verraten?

Eine mutige Lüge

Nein. Ohne Zögern bestätigte er, was die Großeltern gesagt hatten. Niemand sonst lebe in dem Haus. Auch er riskierte mit dieser Lüge sein Leben. Damit rettete er Sima und den Rest ihrer Familie vor der sicheren Ermordung. Der Polizist wusste etwas, das Simas Familie noch nicht wissen konnte: In einem nahe gelegenen Wald waren Gruben ausgehoben worden. Dort sollten die jüdischen Männer, Frauen und Kinder aus Usda erschossen werden.

Was geschah mit Simas Großeltern?

Foto eines damals verbreiteten LKW
Mit solchen LKW waren die deutschen Truppen damals ausgestattet.

Simas Großeltern waren bereit, ihr Leben zu opfern, um die anderen zu retten. Das gläubige Paar wusste, was auf es zukommen würde, wenn es den SS-Männern gegenübertrat: Beide zogen sich unter ihre Alltagskleidung Leichentücher an und beteten ein allerletztes Mal. Als die SS kam und sie mitnehmen wollte, waren sie auf das Schlimmste gefasst.

Und so geschah es: Die SS stürmte das Haus und befahl den beiden mitzukommen. Ein Lastwagen sollte sie zur Erschießungsstätte transportieren. Aber die beiden alten Menschen schafften es nicht, auf die Ladefläche zu klettern. Die SS-Männer zögerten nicht. Sie erschossen Simas Großeltern noch an Ort und Stelle.

Winzige Person auf einem Krapfen mit Puderzucker, Symbolbild 3
Kapitel 3
Sima wollte die Welt nicht mehr verstehen müssen.

75 Kilometer. Zu Fuß. Nach Minsk. Sima war zehn und doch schaffte sie die ganze Strecke. In drei Tagen. Sie hatte keine Wahl. Sie musste ihre Heimatstadt Usda verlassen. Sie hatte die große »Aktion« im Ghetto zwar mit Glück überlebt, aber bleiben konnte sie hier nicht. Im Usdaer Ghetto waren nahezu alle Bewohner/-innen ermordet worden.

Katastrophale Lebensbedingungen

In der Hauptstadt Minsk angekommen, musste die Familie Margolina gleich in ein neues Ghetto ziehen. Bis zu 80.000 Menschen auf gerade einmal zwei Quadratkilometern zusammengepfercht. Zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Tante und ihren beiden Schwestern lebte Sima dort in einem klitzekleinen Zimmer. Gerade einmal ein altes Bett und ein Klappbett passten hinein.

Simas Mutter suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, ihre Mädchen vor dem harten Winter im Minsker Ghetto zu bewahren. Sie schaffte es, die beiden auf die andere Seite des Zauns zu schmuggeln. Für kurze Zeit kamen Sima und ihre Schwester bei ihrem Onkel unter. Dort blieben sie den Winter über. Aber es dauerte nicht lange, bis sie wieder im Minsker Ghetto landeten.

Die zehnjährige Sima musste täglich Schnee schippen
Foto jüdischer Männer und Frauen beim Schneeräumen, 1942
Jüdische Zwangsarbeiter/-innen von Minsk beim Schneeräumen auf dem Außenbahnhof. Das Foto wurde im Februar 1942 aufgenommen.

Im Februar 1942 sahen Sima und ihre Schwester ihre Mutter wieder. Die Mädchen erschraken. Wie dünn sie war, wie blass! Doch nun musste auch Sima mit ihren zehn Jahren, genau wie die Erwachsenen, schwere Zwangsarbeit leisten. Jeden Tag verließ sie mit ihrer Tante das Ghetto, um am Güterbahnhof die Gleise von Kriegstrümmern oder Schnee frei zu räumen. Als sie einmal – nach mehreren Tagen – von der Arbeit zurückkehrte, saß Simas kleine Schwester Berta alleine und völlig verstört auf dem Bett. Simas Mutter und ihre andere Schwester Nina waren verschwunden.

Vier Tage und Nächte saß Simas kleine Schwester unter einem Wasserablaufrohr

Es war der 28. Juli 1942. Sima und ihre Tante mussten wie immer außerhalb des Ghettos Zwangsarbeit leisten. Auch Simas Mutter und ihre Schwester Nina waren zur Arbeit eingeteilt. Aber die SS und die Sicherheitspolizei hatten für genau diesen Tag eine Mordaktion geplant. Sie ließen Simas Mutter und Schwester das Ghettotor nicht passieren.

Foto des Ghettoeingangs in Minsk
Auf dem Foto ist der Eingang zum Minsker Ghetto zu sehen. Auf dem Schild stand auf Deutsch und Russisch »Warnung: Bei Durchklettern des Zaunes wird geschossen«.
Simas Schwester entkam dem Massaker

Simas sechsjährige Schwester Berta war in den vier Tagen, in denen die SS im Minsker Ghetto wütete, völlig auf sich allein gestellt: Als die SS-Männer kamen, versteckte sich die Kleine unter dem Wasserablaufrohr im Hof. Dort saß sie, ohne sich bemerkbar zu machen. Ohne etwas zu essen oder zu trinken. Als keine Schreie und keine Schüsse mehr zu hören waren, kehrte Berta vorsichtig in ihr Zimmer zurück. Hier fanden Sima und ihre Tante sie nach vier Tagen.

Wo waren Simas Mutter und ihre andere Schwester geblieben?

Simas Mutter und ihre kleine Schwester Nina hatten sich nicht verstecken können. SS- und SD-Männer schnappten die beiden und ermordeten sie. Was genau mit ihnen geschah, ist unbekannt: Einige Ghettobewohner/-innen wurden direkt an Ort und Stelle erschossen, andere zu einem Kiefernwäldchen in der Nähe des kleinen Ortes Malyj Trostenez gebracht und dort ermordet.

Malyj Trostenez?

Der Ort lag etwa zwölf Kilometer von Minsk entfernt. Hier wurden Menschen erschossen. Die SS und ihre Helfer töteten die jüdischen Männer, Frauen und Kinder aber auch in Gaswagen. Etwa fünfzig bis hundert Menschen wurden zusammen in einen solchen umgebauten LKW getrieben. Dann wurden die Motorabgase mit Hilfe eines Schlauchs in den hinteren Teil des Wagens geleitet. Innerhalb von einer halben Stunde erstickten auf diese Weise alle darin eingesperrten Menschen. Insgesamt töteten Einheiten der SS, der Schutzpolizei und der Schutzmannschaften bei der Mordaktion vom 28. bis 31. Juli 1942 etwa 10.000 Menschen.

Foto eines LKW
Solche LKW der Marke Diamond bauten die Nationalsozialisten zu Gaswagen um. Ab März 1942 wurden diese Gaswagen in Malyj Trostenez zur Ermordung von Menschen genutzt.

Rote Bete im Januar

Plötzlich wurde Simas Tante Selda immer kränker. Durch die Zwangsarbeit und die Unterernährung war sie vollkommen entkräftet. Sie konnte nicht mehr arbeiten. Das hatte schlimme Folgen: Selda verlor ihre sogenannte Arbeiterration. Obwohl diese nur aus einem halben Liter Wassersuppe und hundert Gramm Brot bestand, hatte sie sie am Leben gehalten. Mit noch weniger Nahrung konnte sie nicht überleben. Es bedeutete ihr Todesurteil.

Sima versuchte noch, ihrer Tante Selda zu helfen und etwas Essbares zu organisieren. Doch es war vergebens: Die 41-Jährige starb Anfang Januar 1943. Fast zeitgleich ging es auch Simas kleiner Schwester Berta, die nun im Kinderwohnheim untergebracht war, immer schlechter.

Foto zweier Knollen Rote Bete
Sima versuchte alles, um ihrer kleinen Schwester das Leben zu retten. Für sie trieb sie sogar mitten im Winter Rote Bete auf.
Sima erinnert sich:

»Am 15. Januar (ich erinnere mich gut an diesen Tag) hatte ich besonderes Glück: Ich kriegte ein Stückchen frische, saftige rote Bete [und] kaufte auf dem Markt einen heißen Krapfen. Glücklich kam ich ins Kinderheim und bat um Einlass.

›Sie ist nicht da‹, wurde mir gesagt.
›Wo ist sie denn?‹ fragte ich erstaunt.
›Sie starb gestern …‹
›Das ist ein Missverständnis. Das stimmt nicht. Prüfen Sie bitte noch mal‹, flehte ich.
›Margolina Berta, sechseinhalb Jahre alt, sie starb gestern‹, wiederholte die Frau am Empfang traurig und mitfühlend.
›Nehmen Sie die Geschenke, geben Sie sie jemandem. Das habe ich für Bertotschka [Kosename für Berta] gebracht.‹

Leise machte ich die Tür hinter mir zu, ging auf den Hof, blieb dort eine Minute stehen und ging langsam durch die Ghetto-Straßen. Es war ein kalter Januarabend. Starke Dreikönigsfest-Kälte, mir war aber nicht kalt, ich hatte keine Angst – alle Gefühle und Instinkte verließen mich. Nur ein Gedanke kreiste in meinem Kopf: Ich bin alleine geblieben, ganz alleine auf dieser fremden, kalten, riesigen Welt. Keiner braucht mich hier, und ich brauche sie [diese Welt] auch nicht. Alles könnte umso schneller zu Ende gehen. Ich irrte die ganze Nacht in der Stadt umher. Keiner stoppte mich, keiner hielt mich auf.«

Im Minsker Ghetto lebten auch Deutsche aus Hamburg

Farbfoto jüdischer Einwohner/-innen von Minsk während des Krieges
Die Aufnahme zeigt jüdische Männer, Frauen und Kinder in Minsk während der deutschen Besatzung. Die gelben Stofffetzen auf ihren Mänteln müssen sie tragen, um als jüdisch erkennbar zu sein.

In Belarus hatte die deutsche SS und die Polizei insgesamt 238 Ghettos errichtet, in denen litauische, lettische und ukrainische Polizisten als Aufseher arbeiteten. Das Minsker Ghetto war eines der größten in Europa. Hier mussten bis zu 80.000 Menschen auf einer Fläche von gerade einmal zwei Quadratkilometern leben.

Hamburger im Minsker Ghetto?

Und zwar nicht nur Juden und Jüdinnen aus Belarus, sondern auch aus dem Deutschen Reich, dem »Generalgouvernement« und dem sogenannten »Protektorat Böhmen und Mähren« wurden hierhin verschleppt. Der erste Transport kam aus Hamburg. Deswegen bezeichneten die belarussischen Ghettobewohner/-innen alle aus dem Deutschen Reich deportierten Häftlinge als »Hamburger Juden«. Diese wohnten in einem sogenannten Sonderghetto, in dem die Lebensbedingungen noch schlechter waren.

Mordaktionen

Insgesamt führten SS- und Polizeieinheiten fünf größere Mordaktionen im Minsker Ghetto durch. Das Datum der letzten Mordaktion, der 21. Oktober 1943, gilt gleichzeitig als Datum der Auflösung des Ghettos. Nur 13 Menschen überlebten diese letzte »Aktion«. Ihnen gelang es, sich über Monate hinweg zu verstecken. Bis zur Befreiung der Stadt Minsk am 4. Juli 1944.

Aufgescheuerter Linoleum-Küchenboden mit winzigen Personen, Symbolbild 4
Kapitel 4
Sima hieß von nun an Sonja und erfand sich eine neue Geschichte.

Sima hatte keine Hoffnung mehr. Es war ihr inzwischen egal, was mit ihr passierte. Sie hatte niemanden mehr. Niemanden, dem sie erzählen konnte, wie es ihr ging. Den sie um Rat fragen konnte. Fast jeden Tag riss die Elfjährige von der Arbeit aus: Sie wartete auf einen passenden Moment und lief dann weg. Ziellos irrte sie durch die Straßen. Immer auf der Hut, um nicht erwischt zu werden. Am sichersten fühlte sich Sima auf dem Marktplatz, wo sie zwischen den vielen Menschen untertauchen konnte. Sie streunte umher und hoffte, nicht aufzufallen.

Sima irrte durch eine zerstörte Stadt
Foto der zerstörten Stadt Minsk, 1941
Die zerstörte Stadt Minsk nach der deutschen Bombardierung im Sommer 1941

Doch im Laufe des Frühjahrs 1943 wurde Sima von einer Frau bemerkt. Diese verstand sofort, dass das Mädchen jüdisch und aus dem Ghetto geflohen war. Die Frau sah nett aus, und Sima erzählte ihr ihre Geschichte. Ohne zu zögern nahm Stefania, so hieß die Frau, Sima mit in ihr Heimatdorf.

Von da an lebte Sima bei Stefania und ihrem Mann. Natürlich nicht unter ihrem richtigen Namen. Sima hieß von nun an Sonja. Und Sonja hatte auch eine ganz eigene Geschichte: Angeblich war Sonja eine Waise. Ihre Eltern seien bei einem Luftangriff auf Minsk ums Leben gekommen. Stefania und ihr Mann hätten sie aus Gutherzigkeit zu sich genommen.

Unter falschem Namen untergetaucht

Sima war ihren beiden Retter/-innen unendlich dankbar: So gut es ging, versuchte sie im Haushalt zu helfen. Das war für die Elfjährige nicht einfach: Sie hatte noch nie im Leben Brot gebacken und wusste nicht, wie man einen Ofen beheizt oder das Mittagessen kocht. Sie gab sich zwar sehr viel Mühe – schließlich hatten diese Menschen ihr Leben gerettet – doch nicht alles klappte so gut, wie sie gerne wollte.

Eine neue Aufgabe

Arbeit auf dem Bauernhof
Dieses Foto wurde von einer Einheit der Wehrmacht während des Russland-Feldzuges im August 1941 aufgenommen. Sima ist darauf nicht abgebildet. So ähnlich könnte aber ihre Arbeit auf dem Bauernhof ausgesehen haben. Das Foto wurde wahrscheinlich auch aufgenommen, um den Rassismus gegen die sowjetische Bevölkerung zu schüren.

Bald schon langweilte sich Sima auf dem Hof ihrer Retter/-innen. Einsam gelegen, hatte sie dort niemanden, mit dem sie reden oder spielen konnte. Das sollte sich ändern: Eines Tages kam ein Mann aus dem nahegelegenen Dorf Jazewschtschina auf den Hof. Er suchte für seine beiden Kinder eine Babysitterin. Eine spannende neue Aufgabe für Sima! Außerdem wäre es sicherlich ungefährlicher, in einem Dorf unter mehr Menschen zu leben. Dort würde sie weniger auffallen. Trotzdem fiel ihr der Abschied von Stefania und ihrem Mann schwer: Die neue Familie wusste nicht, dass Sima jüdisch war und ihre wahre Identität geheim halten musste.

Gras mit der Hand mähen

Auch für ihre neue Pflegefamilie wollte Sima mehr tun: Sie holte Wasser, lernte die Kuh zu melken und Flachs zu rupfen. Nur eine Sache blieb für Sima schwierig: Als Linkshänderin konnte sie einfach nicht mit der Sichel umgehen. So stand sie nachts auf und ging auf das Feld, um das Mähen mit der Sichel zu üben.

Sima fühlte eine magische Verbindung mit einer einsamen Birke

»Wenn im Frühling aus der Birke grüne Knospen sprießen, dann lebt mein Vater noch und ich werde ihn wiedertreffen!«
Foto einer Birke

Sima weidete besonders gerne das Vieh. Dazu führte sie die Tiere auf das Feld hinaus. Hier wuchs eine wunderschöne Birke. Genau daneben stand ein Baumstumpf, auf dem man bequem sitzen konnte. Oft ging Sima hierhin, um nachzudenken. Sie hatte das Gefühl, mit der Birke viel gemeinsam zu haben: Sie war genauso allein wie dieser Baum.

Ununterbrochen dachte Sima an ihren Vater. Er war der einzige aus ihrer Familie, der möglicherweise noch am Leben war. Seit der Mordaktion in Usda hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Immer wieder starrte Sima auf den toten Baumstumpf und klammerte sich an eine Hoffnung:

»Wenn im Frühling daraus grüne Knospen sprießen, dann lebt mein Vater noch und ich werde ihn wiedertreffen!«

So wird an Simas mutige Retter/-innen erinnert

Insgesamt 569 belarussische Staatsbürger/-innen wurden bis Anfang 2012 zu »Gerechten unter den Völkern« ernannt. Dieser Titel wird von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem an nichtjüdische Menschen vergeben, die während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges Juden und Jüdinnen vor der Ermordung retteten.

In Minsk wurden, in unmittelbarer Nähe zu einem Denkmal an der ehemaligen Erschießungsstätte auf dem Gelände des Ghettos, Bäume gepflanzt. Diese Allee der »Gerechten unter den Völkern« soll an Belaruss/-innen erinnern, die damals jüdische Menschen gerettet haben.

Neben dem Denkmal an der ehemaligen Erschießungsstätte in Minsk befindet sich die Allee der »Gerechten unter den Völkern«. Die Inschrift lautet: »Zu Ehren der Einwohner von Belarus, die während der faschistischen Besatzungszeit Juden gerettet haben. 1941–1944«.
Gedenktafel in Minsk zur Ehrung der Menschen, die Jüdinnen und Juden geholfen haben. Die Inschrift lautet: »Zu Ehren der Einwohner von Belarus, die während der faschistischen Besatzungszeit Juden gerettet haben. 1941–1944«.
Bücher und winzige Personen, Symbolbild 5
Kapitel 5
Sima konnte ihrem Vater bestimmte Dinge einfach nicht erzählen.

Immer öfter hörte Sima nun, dass der Krieg bald vorbei sein würde. Sie sehnte diesen Tag herbei. Es war der Frühling 1944, und noch immer lebte Sima bei ihrer Pflegefamilie. Sie war in Sicherheit. Niemand wusste, dass sie jüdisch war. Aber würde sie nach dem Krieg nach Hause zurückkehren können? Würde sie jemanden aus ihrer Familie wiedertreffen?

Sima beschloss, sich abzulenken: Sie kümmerte sich um die Kinder ihrer Pflegeeltern, arbeitete auf dem Feld und weidete die Kühe. Eines Tages, als sie gerade das Vieh hütete, erinnerte sich Sima plötzlich an ihren Birkenstumpf. Stand er noch? Hatte er neue Zweige gebildet? Als sie seine grünen Knospen sah, war Sima überglücklich: Für sie war das ein Wink des Schicksals. Nun war sie fest davon überzeugt, dass sie ihren Vater wiedersehen würde.

Sima kehrte nach Hause zurück
Gruppenfoto mit Sima und anderen Einwohner/-innen von Usda
Sima (ganz links) mit anderen Einwohner/-innen des Städtchens Usda am 9. Mai 1945

Es kam der 4. Juli 1944. Sowjetische Panzer fuhren am Haus von Simas Pflegefamilie vorbei. Die deutschen Truppen waren vertrieben. Sima konnte es kaum erwarten. So schnell wie möglich wollte sie in ihre Heimatstadt gelangen. Vielleicht lebte ihr Vater noch? Vielleicht war er nach Usda zurückgekehrt? In Usda angekommen, bekam sie erst einmal einen Schreck. Ihr altes Haus stand nicht mehr: Es war abgebrannt. Wohin sollte sie nun gehen?

Endlich ein Wiedersehen

Sima suchte nach bekannten Gesichtern und fragte sich zu ihrer besten Freundin Tamara durch, die inzwischen umgezogen war. Tamara empfing sie mit einer wunderbaren Nachricht: Simas Vater war drei Tage zuvor ebenfalls in Usda eingetroffen! Nach drei Jahren Trennung schlossen sich Vater und Tochter endlich wieder in die Arme. Sie konnten nicht aufhören zu weinen.

Nur wenige Monate darauf ging Sima wieder zur Schule. Später studierte sie an der Minsker Universität und wurde Lehrerin für russische Sprache und Literatur. Doch auch als sie schon erwachsen war, gab es Dinge, die sie ihrem Vater einfach nicht erzählen konnte.

Was traute sich Sima ihrem Vater nicht zu sagen?

Kurz nachdem sich Sima und ihr Vater im Juli 1944 wiedergefunden hatten, fragte er nach ihrer Mutter. Er wollte wissen, auf welche Weise seine Frau ums Leben gekommen war. Doch Sima konnte ihm nicht antworten und brach immer wieder in Tränen aus – die furchtbaren Ereignisse waren noch zu frisch. Der Vater tröstete Sima. Er wollte sie nicht drängen. Vielleicht könne sie ihre Erlebnisse ja irgendwann einmal aufschreiben.

Titelseite der Erinnerungen von Sima Margolina
Titelseite der Erinnerungen von Sima Margolina an die Kriegszeit. Sie nannte ihr Buch »Am Leben bleiben«.
Sima kämpfte lange um Worte

Doch die Zeit verging, ohne dass Sima ihre Erinnerungen zu Papier brachte. Sie konnte sich einfach nicht überwinden. Jahre später starb Simas Vater, ohne erfahren zu haben, dass seine geliebte Frau im Alter von 34 Jahren während einer Mordaktion im Minsker Ghetto von deutschen SS- und Polizeieinheiten ermordet worden war. Sima schrieb ihre Geschichte erst auf, als sie schon eine alte Frau war. 1997 erschien ihr Buch »Am Leben bleiben«.

Simas Cousins überlebten als Partisanen den Krieg

Geschichten wie die von Sima gibt es viele zu erzählen. Auch ihr Cousin Alexander Kaplan hat während des Zweiten Weltkrieges dramatisches erlebt. Dreimal versuchte er, aus dem Minsker Ghetto zu fliehen. Buchstäblich in letzter Sekunde gelang ihm schließlich die Flucht: kurz vor der gewaltsamen Auflösung des Ghettos 1943.

Er konnte sich zu jüdischen Partisan/-innen durchschlagen. Dort kämpfte der 13-jährige Alexander gegen die deutschen Besatzer. Zusammen mit seinem Bruder kehrte Alexander 1944 nach Usda zurück. Hier trafen sie auf Sima und ihren Vater. Ihre eigenen Eltern hatten nicht überlebt.

Foto von Partisan/-innen, darunter Simas Cousin
Auf dem Foto ist Simas jüngster Cousin Alexander (links) zu sehen. Neben ihm sind andere ehemalige Partisan/-innen zu sehen, mit denen er gemeinsam gegen die deutschen Besatzer gekämpft hatte. V.l.n.r. Alexander Kaplan, Boris Mlynski, Rita Kaschdan, Pawel Rubintschik. Sankt Petersburg, 2003

So verlief Simas Leben nach dem Krieg

Im Jahr 2010 fanden sich Studierende der Berliner Humboldt-Universität zusammen und reisten nach Minsk. Dort lernten sie Sima kennen. Die alte Dame erzählte ihnen ihre Geschichte.

Nach dem Krieg hatte Sima an der Universität studiert. Später lebte sie mit ihrem Mann im belarussischen Pinsk, wo er im Bezirksamt angestellt war. Sima arbeitete in einem Weiterbildungszentrum für Lehrkräfte und unterrichtete an einer Schule russische Sprache und Literatur. Ihr Vater lebte bis zu seinem Tod in Usda; er beschäftigte sich mit Gartenarbeit und züchtete Geflügel.

Porträt Sima Margolina
Sima im Jahr 1954, mit etwa 23 Jahren
Eine Ausstellung über Juden und Jüdinnen in Minsk

Aus all diesen Informationen machten die Studierenden, unterstützt von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, eine Ausstellung, die im Frühsommer 2011 in Berlin gezeigt wurde. Hier kannst Du mehr über die Ausstellung erfahren: http://www.berlin-minsk.de/.

Der letzte Weg

Foto des Denkmals »Der letzte Weg« in Minsk
Skulptur »Der letzte Weg« in Minsk, eingeweiht im Jahr 2000

Zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust in Belarus wurde bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem ehemaligen Ghettogelände ein Denkmal errichtet. Es befindet sich am Rand des ehemaligen Minsker Ghettos. An genau dem Ort, an dem mehrere Massenerschießungen stattfanden. Auf dem Foto ist ein neues Denkmal zu sehen, das im Jahr 2000 errichtet wurde. Die Skulptur »Der letzte Weg« erinnert an die jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die zu ihrer Erschießung in die Grube getrieben wurden. Auch Kinder aus dem Kinderheim, in dem Simas kleine Schwester Berta zeitweise untergebracht war, waren unter den Opfern.

Einige Straßen weiter finden sich darüber hinaus Gedenksteine in Erinnerung an deutsche Jüdinnen und Juden, die nach Minsk deportiert und in Malyj Trostenez ermordet wurden. An der Errichtung der Gedenksteine war auch die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas beteiligt.

Sima Margolina

* Geboren 23. Oktober 1931 (Usda)
Winziger Baum auf Brotlandschaft, Symbolbild 1
© Christin Franke
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Foto von Federkiel und Tintenfass
Als Sima aufwuchs, war es keine Selbstverständlichkeit, einen Tintenroller oder Füllfederhalter zu besitzen.
© zamburak
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Foto eines Gemäldes von Harry Lieberman
Der Künstler Harry Lieberman (1880 – 1983) stammte ursprünglich aus einem polnischen Dorf. Seine Leidenschaft zum Malen entdeckte er erst spät. Beispielsweise brachte er Szenen aus seiner Kindheit und Jugend in einem polnischen Shtetl auf die Leinwand. Dieses Bild heißt »Ein arbeitsreicher Tag im Shtetl«.
© www.exquisiteart.net, Shimmy Weiss 845-536-4270 »The largest Judaica art collection in North America«
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Karte von 1937
Karte von 1937. Usda liegt unter Minsk, der heutigen Hauptstadt von Belarus.
© gemeinfrei
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Foto mit deutschen Soldaten, 1941 bei Minsk
Deutsche Bodentruppen und motorisierte Soldaten im August 1941 in der Nähe von Minsk.
© Bundesarchiv, Bild 101I-138-1068-06, Foto: Dreyer
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Zwei winzige Personen, Kartoffeln und ein Abgrund, Symbolbild 2
© Christin Franke
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Foto von zwei Kühen
Foto von zwei Kühen
© Bundesarchiv, Bild 183-1983-1114-304, Fotograf: Wolfgang Thieme
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Foto vom Generalkommissar in Minsk
Das Foto vom 1. Dezember 1942 zeigt links Wilhelm Kube, den Generalkommissar in Minsk. Er war als Chef der deutschen Verwaltung maßgeblich an der Planung der Mordaktionen an Juden und Jüdinnen beteiligt.
© Bundesarchiv, Bild 146-1977-029-26, Fotograf unbekannt
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Foto eines Holzstapels
Foto eines Holzstapels
© Stefan Gara
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Foto von sowjetischen Hilfspolizisten, 1941
Die beiden Männer in der Mitte sind sowjetische Hilfspolizisten. Sie arbeiteten für die deutschen Besatzer und sind zu erkennen an den weißen Bändern, die sie um den Arm trugen. Diese Bänder waren mit der Aufschrift »Polizei« oder »P« versehen. Das Foto wurde 1941 im belarussischen Witebsk aufgenommen.
© http://kuzhist.narod.ru
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Foto eines damals verbreiteten LKW
Mit solchen LKW waren die deutschen Truppen damals ausgestattet.
© www.kfzderwehrmacht.de
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Winzige Person auf einem Krapfen mit Puderzucker, Symbolbild 3
© Christin Franke
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Foto jüdischer Männer und Frauen beim Schneeräumen, 1942
Jüdische Zwangsarbeiter/-innen von Minsk beim Schneeräumen auf dem Außenbahnhof. Das Foto wurde im Februar 1942 aufgenommen.
© Bundesarchiv, Bild 183-N1213-366, Fotograf: Herbert Donath
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Foto des Ghettoeingangs in Minsk
Auf dem Foto ist der Eingang zum Minsker Ghetto zu sehen. Auf dem Schild stand auf Deutsch und Russisch »Warnung: Bei Durchklettern des Zaunes wird geschossen«.
© USHMM mit Genehmigung des Museums des Großen Vaterländischen Krieges
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Foto eines LKW
Solche LKW der Marke Diamond bauten die Nationalsozialisten zu Gaswagen um. Ab März 1942 wurden diese Gaswagen in Malyj Trostenez zur Ermordung von Menschen genutzt.
© www.deathcamps.org
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Foto zweier Knollen Rote Bete
Sima versuchte alles, um ihrer kleinen Schwester das Leben zu retten. Für sie trieb sie sogar mitten im Winter Rote Bete auf.
© nalihaha
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Farbfoto jüdischer Einwohner/-innen von Minsk während des Krieges
Die Aufnahme zeigt jüdische Männer, Frauen und Kinder in Minsk während der deutschen Besatzung. Die gelben Stofffetzen auf ihren Mänteln müssen sie tragen, um als jüdisch erkennbar zu sein.
© Bundesarchiv, N 1576 Bild-006, Fotograf: Ernst Herrmann
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Aufgescheuerter Linoleum-Küchenboden mit winzigen Personen, Symbolbild 4
© Christin Franke
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Foto der zerstörten Stadt Minsk, 1941
Die zerstörte Stadt Minsk nach der deutschen Bombardierung im Sommer 1941
© Bundesarchiv, Bild 141-2020, Fotograf: ohne Angabe
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Arbeit auf dem Bauernhof
Dieses Foto wurde von einer Einheit der Wehrmacht während des Russland-Feldzuges im August 1941 aufgenommen. Sima ist darauf nicht abgebildet. So ähnlich könnte aber ihre Arbeit auf dem Bauernhof ausgesehen haben. Das Foto wurde wahrscheinlich auch aufgenommen, um den Rassismus gegen die sowjetische Bevölkerung zu schüren.
© Bundesarchiv, Bild 101I-138-1063-15, Fotograf: Bruno Plenik
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»Wenn im Frühling aus der Birke grüne Knospen sprießen, dann lebt mein Vater noch und ich werde ihn wiedertreffen!«
Foto einer Birke
© Gertrud Kanu
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Neben dem Denkmal an der ehemaligen Erschießungsstätte in Minsk befindet sich die Allee der »Gerechten unter den Völkern«. Die Inschrift lautet: »Zu Ehren der Einwohner von Belarus, die während der faschistischen Besatzungszeit Juden gerettet haben. 1941–1944«.
Gedenktafel in Minsk zur Ehrung der Menschen, die Jüdinnen und Juden geholfen haben. Die Inschrift lautet: »Zu Ehren der Einwohner von Belarus, die während der faschistischen Besatzungszeit Juden gerettet haben. 1941–1944«.
© Sofja Klokatova
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Bücher und winzige Personen, Symbolbild 5
© Christin Franke
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Gruppenfoto mit Sima und anderen Einwohner/-innen von Usda
Sima (ganz links) mit anderen Einwohner/-innen des Städtchens Usda am 9. Mai 1945
© Privatbesitz Sima Margolina
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Titelseite der Erinnerungen von Sima Margolina
Titelseite der Erinnerungen von Sima Margolina an die Kriegszeit. Sie nannte ihr Buch »Am Leben bleiben«.
© Sima Margolina
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Foto von Partisan/-innen, darunter Simas Cousin
Auf dem Foto ist Simas jüngster Cousin Alexander (links) zu sehen. Neben ihm sind andere ehemalige Partisan/-innen zu sehen, mit denen er gemeinsam gegen die deutschen Besatzer gekämpft hatte. V.l.n.r. Alexander Kaplan, Boris Mlynski, Rita Kaschdan, Pawel Rubintschik. Sankt Petersburg, 2003
© Michail Treister
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Porträt Sima Margolina
Sima im Jahr 1954, mit etwa 23 Jahren
© Privatbesitz Sima Margolina
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Foto des Denkmals »Der letzte Weg« in Minsk
Skulptur »Der letzte Weg« in Minsk, eingeweiht im Jahr 2000
© Sofja Klokatova
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